24.11.2024
„We all go a little mad sometimes.“ - Das Zitat eines der berüchtigtsten Bösewichte der Filmgeschichte. An sich ein Typ wie du und ich - ein wenig unsicher, hilfsbereit, schräg und irgendwie sympathisch - schaltet es doch in seinem Hirn hin und wieder um.
Dann zieht er sich die Kleider seiner verstorbenen Mutter an und stichelt mit großen Messern an allzu attraktiv erscheinenden Frauen herum.
Disclaimer: Die hier zur Verfügung gestellten Informationen sollen in keinem Maße der Manipulation dienen. Der heutige Text versteht sich nicht als ausreichend wissenschaftlich fundierte, psychotherapeutisch korrekte Abhandlung zur Diagnose der Wahnstörung. Wer das Gefühl hat, die Flexibilität im eigenen Denken verloren zu haben, sollte sich an eine Vertrauensperson wenden und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es ist keine Schande sich selbst gegenüber kritisch und aufmerksam zu bleiben. Niemand ist gefeit davor!
Der Text versteht sich als unterhaltendes Anstoßelement zum selber Denken. Meinungsvorlagen gibt es schon genug.
Viele haben sicher schon mal von Verfolgungswahn, Größenwahn oder Eifersuchtswahn gehört. Doch wie sieht es mit Beeinträchtigungswahn, Sendungswahn, Nichtigkeitswahn oder Querulantenwahn aus? Die Mehrheit der Menschen hält Wahn und die damit verbundenen Symptome vermutlich für weit entfernte Phänomene. Dabei hatten die meisten von uns in der Realität sicher schon mal Kontakt zum Wahnerleben. Wer schon mal ernsthafter verliebt war, wird wissen wovon ich spreche.
Zentrales Merkmal des Wahns sind Überzeugungen, Meinungen oder Einschätzungen, die so fest im eigenen Denken verankert sind, dass sie nicht korrigiert, widerlegt oder angepasst werden können. Es handelt sich in seiner pathologischen Form um eine Falschbeurteilung der Wirklichkeit, die weder durch Argumente, noch durch Beweise korrigier- oder widerlegbar ist. In Abgrenzung dazu kann eine überwertige Idee (auch Wahnidee oder Wahnstimmung) zumindest ansatzweise verändert werden.
Der deutsch-schweizerische Psychiater und Philosoph Karl Jaspers (1883-1969) formulierte drei zentrale Merkmale des Wahns, die auch heute noch als Orientierung genutzt werden:
• subjektive Gewissheit
• Unkorrigierbarkeit durch Erfahrung und zwingende Schlüsse
• Unmöglichkeit des Inhalts
Des weiteren lassen sich vier zentrale Themen oder Themenkomplexe abgrenzen, die häufig Bestandteil eines Wahnsystems sind. Hierzu gehören
Wert — Minderwertigkeit
Autonomie — Ausgeliefertsein
Bedeutung — Nichtigkeit
Zugehörigkeit – Ausgrenzung
Folgende Begrifflichkeiten sind eng mit Wahn verbunden:
Wahneinfall = eine plötzlich auftauchende (wahnhafte) Idee, ohne einen äußerlichen Reiz
Wahnwahrnehmung = Ein Reiz über eine Sinneswahrnehmung (z.B. sehen oder hören), bekommt eine unrealistische, unangemessene Bedeutung
Wahnstimmung = Das Gefühl „Etwas liegt in der Luft“, äußere Reize werden im Sinne der eigenen Wahnwahrnehmung besonders sensibel wahrgenommen
Wahndynamik = ist die emotionale (affektive) Wirkung der Wahninhalte, die sich in Handlung und Antrieb der Person niederschlagen kann
Systemischer Wahn = ist die Verknüpfung verschiedener Wahnideen zu einem Wahngebäude mithilfe logischer oder paralogischer Erklärungen. Damit macht für den „Wahnträger“ alles Sinn.
Zuordnungsquiz
Ordnen sie den Wahn dem jeweiligen Beispiel zu (Lösungen am Ende des Textes)!
1) Abstammungswahn
2) Devitalisierungswahn
3) Hypochondrischer Wahn
4) Liebeswahn
5) Religiöser Wahn
6) Beziehungswahn
7) Nichtigkeitswahn
8) Doppelgängerwahn
9) Schuldwahn
10) Politischer Wahn
11) Vergiftungswahn
12) Verfolgungswahn
13) Untergangswahn
14) Größenwahn
15) Querulantenwahn
16) Verarmungswahn
17) Eifersuchtswahn
18) Sendungswahn
A) Der Himmel ist bewölkt. Also passiert mir etwas Schlimmes.
B) Meine Nachbarn hören mich ab.
C) Meine Frau/Mein Mann geht fremd.
D) Ich bin tot.
E) Ich habe mein Kind vernachlässigt und werde bestraft werden.
F) Ich werde all mein Geld verlieren.
G) Ich bin unheilbar krank. Meine Nase ist komisch.
H) Ich bin wertlos und unwichtig.
I) Ich bin ein besserer Kanzler als Olaf Scholz.
J) In Frankreich gibt es mich noch einmal.
K) Nur meine Partei wird das Land retten.
L) Der Franz/die Luise ist total in mich verknallt.
M) Ich muss die Menschheit retten.
N) Solange wir nicht den als König haben, werden grüne Aliens kommen und uns vernichten. Rette sich wer kann!
O) Ich bin mit Gott. Ich muss einen göttlichen Auftrag erfüllen.
P) In meinem Getränk ist Pipi.
Q) Der Staat ist gegen mich. Ich muss mein Recht durchsetzen.
R) Ich bin der Schwippschwager von Bruce Willis.
Der Übergang zwischen einer aufgeheizten Wahnstimmung und einem pathologischen Wahn ist fließend. Wie so oft spielen meist mehrere Faktoren eine Rolle, um die Entwicklung menschlichen Tuns zu erklären. Krisen, Frustration, Vernachlässigung, fehlende Aufmerksamkeit sowie ein ungünstiges Umfeld sind mögliche Faktoren, die begünstigend wirken können.
Was mir derzeit um die Nase weht, sind die sichtbaren Tendenzen einiger Menschen, hochgradig emotional aufgeladene (vor allem politische) Überzeugungen herumzutragen und zu verbreiten. Problematisch ist dabei die fehlende Bereitschaft sich kritisch darüber auszutauschen und andersartige Gedanken zuzulassen. Die Wirkung des Internets, einschlägiger Gruppen/Foren oder Diskussionsrunden ist dabei nicht zu unterschätzen. Es scheint hier eine Art von Fokuseffekt zu geben, der dafür sorgt, dass eine bestehende Meinung weiter radikalisiert und nicht relativiert wird. Kaufe ich beispielsweise einen grünen Pullover im Internet, bekomme ich beim weitersurfen noch hundert weitere Pullover angezeigt - schaue ich Katzenvideos, werden mir noch viel süßere Katzenvideos vorgeschlagen. Wer soll sich da noch auf die Arbeit konzentrieren?
Bei Pullovern und Katzenvideos mag das wenig dramatisch sein. Habe ich allerdings eine bestimmte Meinung, finde ich mich möglicherweise sehr schnell in Gruppen wieder, in der ausschließlich die gleiche Meinung herrscht. Hier wird dann fleißig bestätigt und verstärkt, das Ego lacht und die Wirklichkeit sagt: „Hasta la vista, Baby“.
Jeder kann sich selbst die Frage stellen: Bin ich im Wahn oder du?
„Kann ich Kritik anhören und annehmen?“
„Lasse ich andere Erklärungsmodelle für meine Realität zu?“
„Ist meine Meinung stark emotional aufgeladen (besonders mit Angst, Wut, Trauer, Euphorie)?“
„Habe ich ein dauerhaftes Gefühl der Bedrohung, des Misstrauens oder der Vorsicht?
„Gibt es für mich nur „Richtig oder Falsch“ – oder noch etwas dazwischen?
„Beschäftige ich mich immer wieder mit dem gleichen Thema?
„Wer beeinflusst meine Meinungsbildung und welches Eigeninteresse könnten diejenigen haben, die meine Meinung formen (die Klassiker sind wohl Macht, Geld und Sex)?
In diesem Sinne:
„We all go a little mad sometimes.“ (Norman Bates in Psycho (Alfred Hitchcock | 1960)
Buchempfehlungen:
Zarathustras Wiederkehr: Ein Wort an die deutsche Jugend und andere Denkschriften gegen den Radikalismus von rechts und links (Hermann Hesse | Suhrkamp Verlag)
Wege aus einer kranken Gesellschaft (Erich Fromm | dtv)
Lösungen:
1R | 2D | 3G | 4L | 5O | 6A | 7H | 8J | 9E | 10K | 11P | 12B | 13N | 14I | 15Q | 16F | 17C | 18M
Quelle:
https://flexikon.doccheck.com/de/Wahn (Suchbegriff Wahn: am 23.11.2024)
© [11|24| PhilippJunghans]
Admin - 16:01 | Kommentar hinzufügen
Tja, leider sehr treffend. Für einige wenige Jahre war der Gesellschaft klar, w…
Ach, Philipp.
Wirklich schön, eigensinnig.
Echt cooles Tempo, sich selbst wi…
Dass wir andere Menschen wieder wertschätzen sollten, ist ein schöner Wunschtr…
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